Predigt von Pastor Ralf Halbrügge zum Totensonntag am 26.11.23

Sun, 26 Nov 2023 21:02:11 +0000 von Alexandra von Pappenheim

Predigt am Totensonntag, 26.11.2023

Predigttext: 2. Petrus 3,8-13

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, unseres Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes, unseres Trösters, sei mit euch allen, Amen.

Liebe Gemeinde,

46 Namen werde ich gleich nach der Predigt vorlesen. Namen von Menschen, die wir geliebt haben, die Teil unseres Lebens waren und bleiben, die wir noch immer vermissen, die ihre Spuren in unserem Leben hinterlassen haben.

Und wir erinnern uns heute an sie: Erinnern uns an ihre Stimmen, ihre Eigenarten und Besonderheiten, an bestimmte Sätze und Worte, die sie immer wieder gesagt haben. 

Und bei all dem denken auch wir an das, was in ihrem Leben gelungen und misslungen ist, denken an die frohen und unglücklichen Zeiten, an erreichte Ziele und enttäuschte Hoffnungen. Sie kommen uns heute wieder ganz nah und wir spüren, wie sehr wir noch mit ihnen verbunden sind. Und das ist auch gut so, damit sie nicht vergessen werden.

Heute ist ein Tag der dankbaren und manchmal auch noch schmerzlichen Erinnerungen. Kein leichter Tag heute, aber doch einer, der uns durch die Gemeinschaft, die Lieder und Gebete und durch das Wort Gottes Trost und Zuversicht schenken kann.

Vielleicht sind Sie noch voll in der Trauererabeit und es fällt Ihnen noch immer schwer zu akzeptieren, was nicht zu ändern ist. Dann habe ich eine gute Nachricht für Sie: Es wird nicht so bleiben. 

Irgendwie bleibt die Trauer um einen geliebten Menschen, wenn wir ihn wirklich geliebt haben. Sie wird Teil unseres Lebens. Aber wenn wir Geduld haben und wir in diesem manchmal langen Prozess Gott vertrauen, dann keimt neue Hoffnung auf und dann wird die Trauer leichter, weil sie getragen wird von der Hoffnung auf ein neues Leben.

Dieses neue Leben stellt auch der Predigttext in Aussicht, der für den Ewigkeitssonntag in diesem Jahr vorgeschlagen wurde. Ich habe ihn mit abgedruckt. Sie können ihn gerne im Stillen mitlesen. Er steht im 2. Petrus 3,8-13("Gute Nachricht"):

8 Meine Lieben, eines dürft ihr nicht übersehen: Beim Herrn gilt ein anderes Zeitmaß als bei uns Menschen. Ein Tag ist für ihn wie tausend Jahre, und tausend Jahre wie ein einziger Tag. 
9 Der Herr erfüllt seine Zusagen nicht zögernd, wie manche meinen. Im Gegenteil: Er hat Geduld mit euch, weil er nicht will, dass einige zugrunde gehen. Er möchte, dass alle Gelegenheit finden, von ihrem falschen Weg umzukehren.
10 Doch der Tag des Herrn kommt unvorhergesehen wie ein Dieb. Dann wird der Himmel unter tosendem Lärm vergehen, die Himmelskörper verglühen im Feuer, und die Erde und alles, was auf ihr ist, wird zerschmelzen.
11 Wenn ihr bedenkt, dass alles auf diese Weise vergehen wird, was für ein Ansporn muss das für euch sein, ein heiliges Leben zu führen, das Gott gefällt! 
12 Lebt in der Erwartung des großen Tages, den Gott heraufführen wird! Tut das Eure dazu, dass er bald kommen kann. Der Himmel wird dann in Flammen vergehen, und die Himmelskörper werden im Feuer zerschmelzen. 
13 Aber Gott hat uns einen neuen Himmel und eine neue Erde versprochen. Dort wird es kein Unrecht mehr geben, weil Gottes Wille regiert. Auf diese neue Welt warten wir.
 
Ihr Lieben, 
diese Zeilen haben etwas Bedrohliches und Tröstliches zugleich. Das Bedrohliche ergibt sich aus der festen Überzeugung des Schreibers des 2. Petrusbriefes - wie es auch der Vorstellung der ganzen Bibel entspricht - das alles, was wir sehen und uns das Leben auf der Erde ermöglicht, eines Tages nicht mehr da sein wird. Himmel und Erde werden vergehen, die Sonne, die Sterne, die Planeten, die Erde, sie werden vernichtet. 

Alles wird vergehen. Ein Albtraum, eine Apokalypse. Bedrohlich, beängstigend.

Offensichtlich geht ja in unseren Tagen die sogenannte "Letzte Generation", wenn auch nicht religiös motiviert, davon aus, dass dieser Tag, an dem alles zusammenbricht, bereits kurz bevor steht. 

Irgendwie scheint diese Welt ja verrückt zu spielen: Der Klimawandel, der nach neuesten Untersuchungen ja noch viel schneller voranschreitet als befürchtet, die vielen Kriege, das unfassbare Leiden von Millionen von Menschen auf unserer Erde, all das trägt zu einer apokalyptischen Stimmung bei, der sich leider auch viele Menschen unter uns anschließen.

Traurigkeit, Depression, Aggression, Einsamkeit sind die Folgen dieser Stimmung. Untergangsszenarien werden heraufbeschworen und selbst fromme Christen lassen sich anstecken und sehen die apokalyptischen Prophezeiungen, vor allem aus den Büchern Daniel und der Offenbarung, schon jetzt in Erfüllung begriffen.

Und wieder machen viele Menschen den Fehler, den Menschen immer wieder gemacht haben, dass sie versuchen, mit menschlichen Mitteln göttliches Handeln zu erklären.

Ja, die Bibel sagt: Eines Tages wird es diese Welt, wie wir sie kennen, nicht mehr geben. Und auch die Naturwissenschaftler sagen, dass die Sonne nicht ewig scheinen wird. Sie sagen voraus, dass sie das noch so etwa 5 Milliarden Jahre tun wird. Dann ist sowieso Feierabend. Da das aber die meisten von uns ohnehin kaum erleben werden, sollten wir uns als Christinnen und Christen nicht an diesen Untergangsszenarien beteiligen.

Gott lässt sich von uns ohnehin nicht ins Handwerk pfuschen. Und ich bin mir sicher, dass er einen Plan mit uns hat. Und dieser Plan ist ein guter Plan, weil Gott es gut mit uns meint. Problem ist: Gottes Zeitplan ist meist ein anderer als unserer.

Die Älteren unter uns kennen noch das Lied von Gitte: "Ich will alles, ich will alles und zwar sofort!" Haben die Verstorbenen, derer wir heute gedenken, in ihrem irdischen Leben alles bekommen? Nein, haben sie nicht! Werden wir in unserem irdischen Leben alles bekommen, was wir ersehnen? Nein, werden wir nicht!

Wird die Erde heute untergehen? Nein, wird sie nicht! Und ich vermute auch morgen nicht und übermorgen nicht.

Der 2. Petrusbrief wie auch Psalm 90 sagen: 1000 Jahre sind bei Gott wie ein Tag. Und ein Tag wie 1000 Jahre. Unsere Vorstellungen von Zeit und Raum, die wir ja brauchen, um unser Leben halbwegs geordnet leben zu können, spielen bei Gott überhaupt keine Rolle. Gott ist jenseits von Zeit und Raum, weil er ein ewiger und allmächtiger Gott ist. Ein Gott, der nicht unserer Biologie, unserer Chemie, unserer Physik unterworfen ist.

Gott kann das alles mir nichts dir nichts aufheben und ad absurdum führen, was wir berechnet und in Formeln gepackt haben. Wenn er es nicht könnte, wäre er nicht Gott.

Dass wir in Wirklichkeit nichts in der Hand haben, nichts wirklich im Griff haben, zeigt uns doch das Sterben derjenigen, derer wir heute gedenken: Manche sind nach unserem Gefühl zu spät gestorben, weil wir ihnen ein so langes Leiden gerne erspart hätten. Manche sind nach unserem Eindruck viel zu früh gestorben, weil wir noch gerne Zeit mit ihnen verbracht hätten und es noch so Vieles zu sagen gegeben hätte. Und wann der Zeitpunkt bei uns gekommen ist, wissen wir nicht.

Aber der Predigttext aus dem 2. Petrusbrief sagt uns heute morgen - und das ist eine wirklich gute Nachricht, dass Gott Geduld mit uns hat und noch wichtiger, größer und schöner: Dass er nicht will, dass auch nur einer von uns verlorengeht! Er möchte uns allen Zeit geben, uns zu ihm zu bekehren, unsere falschen Wege, unsere Irrwege, unsere Holzwege zu verlassen. Er möchte uns Gelegenheit geben, unser Verhalten, mit dem wir uns und anderen Schaden und Leiden zufügen, zu verändern.

Letzten Mittwoch war Buß - und Bettag. Für mich leider ein Bett-Tag, weil ich mit Erkältung und Fieber, mit "Männerschnupfen", darnieder lag. An diesem Tag stand der erste Satz aus dem Mund Jesu im Markus-Evangelium im Mittelpunkt: "Das Reich Gottes ist nahe herbei gekommen. Tut Buße/Kehrt um/Ändert euer Denken und euer Verhalten und glaubt dem Evangelium, meiner frohen Botschaft!"

Der 2. Petrusbrief heute sagt: "Das muss doch ein Ansporn für euch sein, ein heiliges Leben zu führen, das Gott gefällt!" 

Ihr Lieben,

es gibt viel mehr heiliges Leben unter uns als uns bewusst ist: Ich habe gerade in dieser Woche so viel freundliche Worte gehört und gelesen von Menschen aus unserer Gemeinde. So viele liebevolle Gesten erlebt. Es gibt so viele unter uns, die Licht in das Dunkel von Menschen bringen, die durch ihre Freundlichkeit, Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft ein wahrer Segen sind für unser Miteinander.

Gott schenkt uns noch Zeit, die wir nutzen können, Jesus ähnlicher und freundlicher, liebevoller und barmherziger zu werden. Und Gott unser Vertrauen zu geben.

Es wird, ganz sicher, einen neuen Himmel und eine neue Erde geben. Eine neue Welt! Eine Welt ohne Tränen, ohne Leiden, ohne Geschrei, ohne Schmerzen. So sagt es die Offenbarung. Eine Welt, die es noch immer geben wird, wenn es hier nichts mehr gibt. Eine Welt, die wir uns für unsere Verstorbenen wünschen. Eine Welt, in der alles gut sein wird und in der Gott mitten unter uns wohnt.

Diese zukünftige Welt ist unsere eigentliche Heimat. Dahin gehören wir!

Bis dahin sind wir auf dem Weg durch Freuden und Leiden, durch die Ambivalenzen, die Widersprüche unseres Lebens. Und auf diesem Weg ist Gott an unserer Seite. Und Gott sorgt dafür - gesegnet sind alle, die das erlebt haben - dass sich mitten im irdischen Leben hin und wieder der Himmel öffnet und wir einen Blick erhaschen in die neue Welt: Wenn ein Kind geboren wird. 

Wenn zwei Menschen sich wirklich lieben. 

Wenn ein Zweifelnder zum Glauben an Gott kommt. 

Wenn einer nach Jahren mal wieder die Hände zum Gebet faltet. 

Wenn einer getröstet und ohne Angst sterben kann. 

Wenn ein Trauernder, Trauriger, Verzweifelter neue Hoffnung bekommt. 

Wenn Menschen wirklich Menschen sind und Gott dazu lächelt.

Und der Friede Gottes bewahre eure Herzen und Gedanken im Glauben an Jesus Christus, Amen.
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